Vor einer Woche hat sich Mintos CEO Martins Sulte mehr als eineinhalb Stunden Zeit genommen, um auf die aktuelle Situation des Unternehmens einzugehen und um die dringendsten Fragen der Investoren zu beantworten. Den Live-Stream, den sich zeitweise bis zu 1.000 Personen angesehen haben, hat viele Aufschlüsse darüber gegeben, wie sich Mintos auf die aktuelle Marktsituation eingestellt und welche Maßnahmen man bereits unternommen hat.
Hier sind die aus meiner Sicht wichtigsten Aussagen:
- Die Ausgabenseite wurde um 40 Prozent reduziert, um in der aktuell ungewissen Marktphase kein unnötiges Geld auszugeben
- Von den 140 Mitarbeitern, die Mintos 2019 neu eingestellt hat, mussten daher allein in der letzten Woche 45 Mitarbeiter das Unternehmen wieder verlassen.
- Auch die Marketingbudgets wurden stark heruntergefahren. So bekommen neue Investoren bis auf weiteres keinen Cashback-Bonus mehr ausbezahlt und auch die Payouts für Publisher wurden vorerst gesenkt.
- Die Revenue Run Rate, also der annualisierte Umsatz, liegt momentan zwischen 10 und 12 Mio. Euro und das Eigenkapital beträgt 3,6 Mio. Euro.
- Bei der aktuellen Kostenstruktur könnte das Unternehmen somit, auch ohne zusätzliche Einnahmen, die Geschäftstätigkeit in den nächsten 15 bis 18 Monaten normal fortführen.
Doch die Bewertung und Einordnung dieser Aussagen ist für mich aktuell nur noch zweitrangig. Denn in der letzten Woche ist etwas passiert, was bei mir persönlich sehr starke Zweifel hervorgerufen hat, ob ich Mintos auch zukünftig vertrauen und auf dem Marktplatz investieren sollte.
Lizenzentzug des armenischen Kreditgebers Varks
Konkret geht es bei diesem Vorfall um den Lizenzentzug des armenischen Kreditgebers Varks, durch die dortige Zentralbank des Landes. Siehe dazu auch meine Analyse auf dem Blog: Mintos und die Varks-Affäre. Kontrollverlust? Oder falsches Spiel?
Zu den Gründen dieser Entscheidung gibt es vereinzelte Quellen, welche ich jedoch nur mit der Hilfe von Google Translate versuchen kann zu interpretieren. Nach meinem Verständnis hat die Zentralbank Armeniens Auffälligkeiten bei den Mindestkapitalanforderungen im Jahresabschluss 2019 entdeckt.
Denn scheinbar hat das Unternehmen Einlagen der Investoren als Eigenkapital ausgewiesen. Zieht man nun dieses Geld aus der Bilanz ab, verbleibt ein zu geringer Betrag, um den regulatorischen Anforderungen als Kreditgeber gerecht zu werden.
Am 25. Februar wurde diesbezüglich ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und vom 18 bis 20 März fanden Anhörungen statt, um den Sachverhalt offen zu legen. Scheinbar jedoch ohne Erfolg, denn schon am 24 März hat die Zentralbank Armeniens reagiert und Varks die Lizenz entzogen.
Was über Varks bekannt ist
Varks wurde 2016 gegründet und finanziert seitdem PayDay-Loans in Armenien, also kurzfristig laufende Konsumkredite.
Seit Februar 2018 nutzt das Unternehmen, dass aktuell ca. 400 Mitarbeiter beschäftigen soll, dafür auch den Mintos Marktplatz, um hier die Finanzierung seiner Darlehen zu beschleunigen.
Zudem gehört Varks seit November 2019 der Finko Group an, welche mit einem ausstehenden Kreditvolumen von aktuell 97 Mio. Euro der größte Kreditgeber auf Mintos ist. Varks ist dabei, neben anderen Kreditgebern wie Sebo, Dinero, Metrokredit und Lendo, keineswegs ein kleiner Fisch des Konzerns. Im Gegenteil.
Den von Mintos ausgewiesenen Statistiken auf der Webseite zu Folge, summiert sich das ausstehende Kreditvolumen von Varks auf über 31 Mio. Euro, zuzüglich von knapp 3 Mio. Euro, welche erst kürzlich durch das neue Anlageprodukt Forward Flow finanziert worden sind.
Um die unangenehmen Fragen zu verstehen, denen sich Mintos jetzt stellen muss, drehen wir die Zeit um zwei Wochen zurück und schauen wir auf den 12. März. Den Tag, an dem Mintos Forward Flow gelauncht hat.
12.03.2020: Mintos launcht neues Produkt mit Forward Flow
Auf dem Mintos Blog wurde der Forward Flow als ein „einzigartiges Produkt auf dem Crowdlending-Markt“ angepriesen. Hierbei investieren Anleger in ein Bündel von Krediten, das einen vorher festgelegten Zinssatz und einen fest-definierten Zeitraum besitzt.
Während der Laufzeit erhalten Investoren dann wöchentliche Zinszahlungen, die auf der Entwicklung der enthaltenen Kredite basieren. Der Hauptbetrag wird dann erst bei der Fälligkeit des Forward Flows zurückgezahlt.
Kredite innerhalb des Forward Flows werden unter drei bestimmten Bedingungen ersetzt. Entweder wenn die Fälligkeit erreicht ist, der Kredit zurückgezahlt wird, oder sich mehr als mehr als 60 Tage im Verzug befindet.
Das Argument von Mintos ist dabei, dass der Forward Flow ein reduziertes Investitionsrisiko im Vergleich zum Kauf einzelner Kredite besitze und dass die höheren Zinssätze für einen längeren Zeitraum festgeschrieben werden.
13.03.2020: Mintos startet Forward Flow mit Varks Krediten aus Armenien
Bereits einen Tag später gab Mintos bekannt, dass man den Forward Flow mit Varks Krediten aus Armenien starten werde. Die Forward Flows sollen dabei zwischen 5.000 Euro und 100.000 Euro groß sein, eine Laufzeit von 12 Monaten besitzen und mit bis zu 15 Prozent verzinst sein. Zudem sollen die Kredite durch den Mutternkonzern, nämlich die Finko Group, abgesichert sein.
Zur Erinnerung: Varks steckte zu diesem Zeitpunkt in einem offenen Ermittlungsverfahren und die Pending Payments des Kreditgebers betrugen bereits über 4,2 Mio. Euro. Dass Varks wohl nicht der ideale Kandidat für ein Pilotprojekt des neuen Anlageprodukts gewesen ist, lasse ich zunächst mal im Raum stehen.
16.03.2020: 2% Cashback Kampagne für Forward Flows von Varks
Aber als wäre das noch nicht verwunderlich genug, hat Mintos tatsächlich nur drei Tage später auch noch eine zusätzliche 2% Cashback Kampagne für die Forward Flows von Varks gestartet und damit versucht noch mehr Kapital in diese Kreditbündel zu ziehen.
Wie geht es mit Varks und der Finko Group weiter?
Wie es jetzt für Varks weitergehen und ob die Finko Group tatsächlich für die ausstehenden Forderungen einstehen wird, sind zu diesem Zeitpunkt die offensichtlichen und nahe liegenden Fragen der Investoren.
Aber für mich stellen sich in diesem Zusammenhang noch ganz andere Fragen, dessen Beantwortung dringend erfolgen sollte. Zumindest sofern Mintos ein Interesse daran hat die momentan sowieso schon angespannte Stimmung im P2P Sektor nicht noch zusätzlich eskalieren zu lassen.
Mit Blick auf Varks / Finko frage ich mich, warum ein Konzern dieser Größenordnung offensichtlich bilanzielle Fehler macht und es selbst danach nicht schafft das Thema in den Griff zu bekommen und zu korrigieren, obwohl die Gruppe im Jahr 2019 einen angeblichen Nettogewinn von 17,6 Mio. Euro verzeichnen konnte. Hat man den Lizenzentzug vielleicht bewusst in Kauf genommen?
Welche Rolle hat Mintos gespielt?
Auch über die Rolle von Mintos muss gesprochen werden.
- Wie viel wusste das Unternehmen über die Zustände bei Varks?
- War man von dem Ermittlungsverfahren, bei immerhin einem der größten Kreditgeber des Marktplatzes, nicht informiert?
- Warum hat Mintos Forward Flow mit Varks Krediten gestartet, wissend, dass das Unternehmen mehr als 4 Mio. Euro noch nicht an die Investoren zurückgezahlt hat?
Auch die zusätzliche 2% Cashback Kampagne sieht alles andere als gut aus.
Egal wie man es dreht und wendet, am Ende kommt Mintos nicht gut dabei weg. Entweder wusste man Bescheid, hat diese Aktion gefördert und damit gezielt mit dem Geld der Investoren gespielt oder Mintos muss sich eingestehen, dass man die Kontrolle über die Aktivitäten seiner Kreditgeber komplett verloren hat und sämtliche Warnsignale versagt haben. Aber egal in welche Richtung es geht, in beidem Fällen hinterlässt es einen sehr faden Beigeschmack.
Für mich persönlich ist hiermit ein grenzwertiges Verhalten gezeigt worden, in wessen Interesse auch immer, an dem ich als Investor nicht beteiligt sein möchte.
Um versuchen die Vorfälle weiter aufzuklären, werde ich auf die Regulierungsbehörden Lettlands und Armeniens zugehen, um noch mehr Klarheit bei den Verstrickungen in dieser Angelegenheit zu bekommen.
- 12.04.2020: Mintos und die Varks-Affäre: Kontrollverlust? Oder falsches Spiel?
- 29.03.2020: Wie sicher ist Mintos aktuell?
- 07.01.2020: Interview mit Mintos CEO Martins Sulte in Berlin
- 29.11.2019: Mintos Erfahrungen nach zwei Jahren | 1.627,64 EUR Einnahmen | 12,67% Rendite
- 30.09.2019: Fallende Zinsen bei Mintos | Was P2P-Investoren JETZT tun sollten (YouTube)
- 28.06.2019: Analyse des Geschäfts- und Monetarisierungsmodells von Mintos
- 14.06.2019: Mintos Invest & Access – Hintergründe und Meinung zum neuen Mintos-Produkt
- 12.04.2019: Interview mit Mintos-CEO Martins Sulte | Baltikum-Reise 2019
- 22.03.2019: Diversifikation des Kreditportfolios bei Mintos
- 01.03.2019: Einblicke zum Thema Rückkaufgarantie bei Mintos
- 15.02.2019: Unterschätzte Risiken bei Mintos? Warum die FCA den lettischen P2P-Anbieter nicht unter ihre Aufsicht stellen will
Undurchsichtige Besitzverhältnisse: Wem gehört Mintos?
Als abschließenden Input möchte ich an dieser Stelle auch für ein Thema sensibilisieren, welches mich ebenfalls seit einiger Zeit beschäftigt. Dafür empfehle ich euch das Interview von Kristaps Mors mit dem Mintos CEO durchzulesen. Zu dem Thema „Wem gehört Mintos“ gibt es ja häufiger Verbindungen zu einem lettischen Geschäftsmann, dessen Rolle und Funktion innerhalb Mintos sehr lange unklar gewesen ist.
Es handelt sich dabei um Aigars Kesenfelds, der u.a. auch bei vielen Mintos Kreditgebern, darunter zum Beispiel Mogo, beteiligt ist. Man munkelt, dass es sich bei ihm um den letztlichen Besitzer von Mintos handelt. Im Interview hat der Mintos CEO relativiert, dass jener Person zwischen 25 und 50 Prozent von Mintos gehören.
“We don’t plan to publish our cap table, but to clear up one misconception – yes, Aigars Kesenfelds shows up as a beneficial owner of Mintos and that means he owns more than 25% of Mintos, but it is not like many believe – that he owns 100% of Mintos, he owns much less than 50% of Mintos.”
Auf der „Über Uns“ Seite von Mintos, ist Aigars Kesenfelds mittlerweile eingefügt worden. Dennoch sind die genauen Besitzverhältnisse der AS Mintos Holding, welche sich in viele kleine Gesellschaften aufsplittet, nur sehr schwer nachzuverfolgen.
Eine einfach Recherche auf Google zeigt uns übrigens auch, wer der letztlich Begünstigte der Finko group AS ist. Es handelt sich dabei um Aigars Kesenfelds höchpersönlich…
Wie sicher ist Mintos aktuell? Das Video zum Artikel!
Hi, ich bin Denny! Seit Januar 2019 schreibe ich auf diesem Blog über meine Erfahrungen beim Investieren in P2P Kredite. Meine Analysen sollen Investoren dabei helfen reflektierte und gut informierte Anlageentscheidungen treffen zu können. Dafür schaue ich mir die Risikoprofile der einzelnen P2P Plattformen an, hinterfrage deren Entwicklungen und teile meine persönlichen Einschätzungen mit meiner Community. Mein Bestseller "Geldanlage P2P Kredite" gilt in Fachkreisen als das beste deutschsprachige Finanzbuch zum gleichnamigen Thema.
Hallo Denny,
interessanter Beitrag, der sicher die Stimmung der Investoren im Markt – auch bezüglich der Verunsicherung – wiedergibt. Ich bin mir aber nicht sicher, wie Du auf die Einschätzung kommst, dass die 4,2 Mio. Euro an Pending Payments ein Problem waren, bevor man Forward Flow eingeführt hat. Es waren ja zu dem Zeitpunkt ca. 30 Mio. an offenen Krediten, die für 1 Monat vergeben wurden. Das heißt, dass im Schnitt ca. 1 Mio. Euro am Tag fällig werden (plus ca. 150k an Zinsen). In Zeiten von Corona, in denen kaum ein Investor neues Geld an Varks gibt (Annahme), bedeutet das einen Netto-Zahlungsstrom von ca. 1 Mio. am Tag in Richtung Investoren. Und wenn der Tag der letzten Ausgleichszahlung (siehe Mintos-Erklärung zu Pending Payments vor kurzem) z.B. 4 Tage her ist, finde ich 4 Mio. Euro Pending Payments sogar sehr plausibel und somit kein “red flag” bezüglich der Einführung von Forward Flow.
Auch die Nachrichtenlage aus Armenien scheint noch nicht geklärt, und es gibt immer wieder einmal Beiträge, die von einem eher politisch motivierten Lizenzentzug reden, da die Eigenkapital-Anforderungen nicht wirklich hoch sind für so ein Unternehmen.
Alles in allem kann ich eine gewisse Verunsicherung verstehen – auch ich verspüre diese – allerdings ist der Vorwurf gegenüber dem Mintos-Management, dass sie wissentlich da rein gerannt sind, aus meiner Sicht noch etwas zu früh. Sie haben ja durch die Produkteinführung auch relativ viel auf Varks gesetzt, deswegen schließe ich eher auf mangelnden Einblick in Varks. Dass es ihnen gleich nach ein paar Tagen so um die Ohren fliegt, ist extrem bitter für sie.
Die anderen Punkte bezüglich der Eigentümerstruktur von Mintos bleiben natürlich bestehen. Dennoch werde ich mein Mintos-Investment auf dem jetzigen Niveau belassen und zurück fließendes Geld weiter investieren.
Liebe Grüße
Michael
Hallo Michael,
vielen lieben Dank für deinen ausführlichen Kommentar und auch das konstruktive Feedback.
Deine Argumentation bezüglich Forward Flow finde ich plausibel und kann ich nachvollziehen. Valider Punkt. Aktuell betragen die durchschnittlich ausstehenden Zahlungen bei Varks allerdings schon 15 Tage. Das sind mit die meisten Tage von allen Kreditgebern.
Was glaubst Du wäre das Motiv, dass für einen politisch gelenkten Lizenzentzug spricht? Ich gebe Dir recht, die Anforderungen sind nicht hoch. Erst recht nicht, wenn ein Konzern dieser Größe dahinter steht. Aber ich mir nicht vorstellen, dass das ohne Warnung und ohne Kulanzzeit zur Behebung geschehen ist. Persönlich glaube ich eher, dass Varks den Laden bewusst vor die Wand fahren wollte. Ich will noch nicht zu viel darüber schreiben, weil ich dazu gerade noch weiter recherchiere.
Und mangelnder Einblick bei Varks? Einem der größten Kreditgeber bei Mintos, gegen den seit Ende Februar ermittelt wird? Keine Ahnung.. ich rieche hier eher Kumpanei. Gerade die Interessensgemeinschaften der Besitzer würde dafür sprechen.
Naja, warten wir mal ab was sich hier noch tut!
VG,
Denny
Hallo Denny,
vielen Dank für die ausführliche Reaktion!
Wenn ich einen der Artikel (auf armenisch oder russisch, per Google Translate) richtig verstanden habe, ist einer der führenden Amtsträger aus Armenien jemand, der am Verschwinden von Varks vom Markt verdienen könnte. Weil er in die Konkurrenz investiert ist o.ä. Es war allerdings wie gesagt nur ein Hinweis am Rande in einem fremdsprachigem Zeitungsartikel… Eine weitere mögliche Motivation ist, dass Varks auch in Corona-Zeiten recht hohe Darlehenszinsen verlangt hat, wo andere schon auf temporären Zinsstopp gegangen sind. Und das kann für Ärger bei der armenischen Zentralbank geführt haben – auch das war als Möglichkeit in einem Artikel erwähnt.
Die Gründe für den Lizenzentzug können also zwischen Politik und echten “kreativen” Bilanzvorgängen liegen. Was mir echt weniger gefällt sind die Eigentums-Strukturen zwischen Mintos, Finko und Varks. Wie Du schreibst würde man meinen, dass man bei dieser Struktur bei Mintos von so geschäftskritischen Vorgängen wie Untersuchungen zum Lizenzentzug bei Varks wissen musste.
Dem entgegen steht wiederum die veröffentlichte Aussage der Finko-Spitze, dass auch sie eiskalt überrascht waren. Und wenn die es nicht wissen, muss es auch Mintos nicht unbedingt erfahren haben. Gerade die Einführung von Forward Flow mit Varks deutet für mich stark auf diese Möglichkeit hin. Wir können vorläufig wohl nur spekulieren.
Ich bin allerdings Optimist, und letzten Endes kommt es darauf an, was die Zahlungsströme aussagen. Und die sagen, dass es heute – auch bei mir – einige Zahlungen bei Varks gab.
Daher wünsche ich uns, dass sich die Lage mit Varks weiter positiv entwickelt, und wir alle ausstehenden Zahlungen von dort bekommen!
Viele Grüße
Michael