KRISE bei TWINO? Interview mit Roberts Lasovskis

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Heute folgt das dritte Interview der Baltikum-Reise 2019, dieses mal mit P2P-Platform Lead Roberts Lasovskis vom lettischen Anbieter TWINO.

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Twino ist das Unternehmen, zu dem es im Vorfeld meiner Reise definitiv die meisten Fragen interessierter P2P-Anleger gab. Nachdem der Geschäftsbericht für das Jahr 2017 veröffentlicht worden war, gab es große Bedenken ob der Zukunft der P2P-Plattform. 3,4 Millionen negatives Eigenkapital (Stand: Oktober 2018), neun von elf Tochtergesellschaften mit Verlusten, dazu die Entlassung mehrerer Mitarbeiter. Hier gibt es eine schöne Zusammenfassung des Reports für 2017.

Obwohl der Mutterkonzern SIA TWINO bereits seit 2009 bei der kurzfristigen Kreditvergabe von Konsumentendarlehen mitmischt und damit ähnlich lang wie die VIA SMS Group (seit 2008) aktiv ist, hat man sich bei den Expansionsplänen in 2016 wohl etwas zu sehr übernommen. Wie konnte das einem vergleichsweise etablierten Unternehmen passieren, dass bereits so lange am Markt ist und einer der größten P2P-Anbieter in Kontinentaleuropa ist (+16.000 Anleger, 20 Mio. Euro monatliches Darlehensvolumen)? Wollte man zu viel in zu kurzer Zeit?

Aus diesem Grund war es mir wichtig nicht nur dieses Thema anzusprechen, sondern mit Roberts auch die einzelnen Kreditnehmermärkte von Twino zu analysieren. Warum hat man sich ausgerechnet für die einzelnen Länder entschieden? Welche Formen von Kreditarten setzt man dort ein? Wie ist der aktuelle Status in den jeweiligen Ländern? Dieses waren nur einige der Fragen, die ich in diesem Zusammenhang gestellt habe.

Die Antworten klangen aus meiner Sicht sehr schlüssig und plausibel. Sie machen allerdings auch deutlich, wie wichtig eine ausgeglichene Balance zwischen Kreditnachfrage (Investoren)- und Kreditangebot ist. Haben die meisten Anbieter eher einen Überhang an Krediten und man sucht potente Investoren, ist Twino eine der wenigen P2P-Plattformen, die eher das Angebot bei den Krediten erhöhen müssen. Dass man sich aber genau hierbei in der Vergangenheit etwas die Finger “verbrannt” hat, zeigt die momentan schwierige Balance des Unternehmens.

Auf YouTube gibt es in den Kommentaren Timestamps für das Interview. Die für mich wichtigsten Aussagen habe ich wie gewohnt als deutsche Übersetzung in diesem Beitrag veröffentlicht.


Was kannst Du über Deinen persönlichen Lebenslauf erzählen?

Mein Name ist Roberts und ich bin seit ca. eineinhalb Jahren der Plattform-Lead bei TWINO. Ich war bereits vorher bei Twino angestellt, allerdings in einer anderen Position. Ansonsten habe ich einen Hintergrund aus der Finanzindustrie. Zum einen habe ich im Bereich Versicherungen gearbeitet und später dann auch bei einer Online-Bank.

Bevor wir im Detail über die Investment-Plattform Twino sprechen, möchte ich einen Blick auf den Mutterkonzern werfen – die Unternehmensgruppe SIA Twino. Diese wurde 2009 gegründet, die Investment-Plattform hingegen erst in 2015. Wie ist der Mutterkonzern strukturiert (Arbeitnehmer, Büros, Produktportfolio) und was kannst Du allgemein über das Unternehmen erzählen?

Kurz zur Plattform: Aktuell haben wir ca. 16.000 bis 17.000 aktive Investoren und das insgesamt vermittelte Kreditvolumen liegt bei 450 Mio. Euro (ca. 15 Mio. Euro bis 20 Mio. Euro monatlich), was uns zu einem der Top 3 P2P-Anbieter in Kontinentaleuropa macht. Mit der Kreditvergabe operieren wir momentan in fünf Ländern, die größten davon sind Polen und Russland. In Russland sind wir sogar einer der beiden größten Kreditvergeber aus dem Nicht-Banken Bereich. Hinzu kommen Lettland, Kasachstan und Georgien, die aber verhältnismäßig kleiner sind.

Bei den Mitarbeitern haben wir ungefähr 400 zurzeit, die meisten davon arbeiten im Kundensupport. In Lettland, unserem Hauptsitz, haben wir 60 bis 70 Mitarbeiter aus allen Unternehmensbereichen – von Finanzen, Marketing, Kundensupport, Plattform-Team, Management, etc.

Im Vorfeld des Interviews gab es sehr viele Kommentare und Fragen zu Twino. Die meisten davon wollten wissen wie es in Zukunft bei Twino weitergehen wird, nachdem der Abschlussbericht für das Geschäftsjahr 2017 sehr negativ war. Zweigstellen mussten geschlossen werden, Mitarbeiterentlassungen und viele Kreditnehmerländer waren nicht profitabel. Was kannst Du dazu sagen?

Man muss verstehen, dass die Bilanz für 2017, wo wir negatives Eigenkapital hatten, nicht für die Unternehmensgruppe SIA Twino galt, sondern für ein Unternehmen davon. Aber es stimmt, 2017 war nicht unbedingt unser bestes Jahr. Natürlich haben das auch die Investoren an der ein oder anderen Stelle mitbekommen.

Was wir in 2017 und eigentlich auch schon in 2016 gemacht haben ist, dass wir versucht haben unser Geschäftsmodell weiter auszubauen, indem wir zur gleichen Zeit viele neue Unternehmen für die Kreditvergabe, mit teilweise neuen Kreditarten, in weiteren Ländern gegründet haben.

Anfang 2017 haben wir verstanden, dass das Risiko für das Unternehmen zu hoch ist. Daher kam es zu ein paar Entlassungen und wir haben einzelne Niederlassungen, wie zum Beispiel in Spanien oder Mexiko, geschlossen. Seitdem haben wir das Unternehmen in den letzten zwei Jahren mehr oder weniger restrukturiert. Für 2018 sehen wir aktuell in allen fünf Kreditnehmerländern einen Profit beim EBIT (vor Steuern), was für uns ein toller Erfolg ist, nachdem wir 2017 fast überall Verluste schreiben mussten. Diese Erfahrung war jedoch eine gute Lernkurve für uns. Wir wissen nun, wie wir in den einzelnen Ländern Geld verdienen können und ich denke, dass das auch für Investoren ein gutes Zeichen sein sollte.

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Twino operiert aktuell in fünf Märkten bei der Kreditvergabe: Lettland (2009), Polen (2011), Russland (2013), Georgien (2014) und Kasachstan (2016). Ich würde gerne kurz auf die einzelnen Länder eingehen und Du kannst kurz erzählen, warum diese Länder aus Sicht von Twino so attraktiv sind und wie der momentane Status ist. Fangen wir an mit dem Heimatmarkt von Twino, nämlich Lettland.

Als wir mit der Kreditvergabe in Lettland angefangen haben, gab es die Investment-Plattform natürlich noch nicht, sodass wir die Darlehen selbst finanziert haben. Die zehn Jahre, die wir mittlerweile in Lettland aktiv sind, waren sehr spannend. Regulierungen sind immer ein großes Thema gewesen, weil sich diese ständig anpassen. Unser Marktanteil bei Kreditgebern aus dem Nicht-Banken Segment liegt bei unter fünf Prozent.

Wir schauen bei den Kreditnehmern in Lettland sehr genau hin, da wir hier auch Ratenkredite anbieten, die bis zu fünf Jahre lang sein können. Ansonsten schauen wir aktuell, ob wir auch Darlehen für KMUs anbieten werden.

Wie sieht’s mit Polen aus?

 Polen ist der zweite Markt von uns, in dem wir seit 2011 aktiv sind. Wir haben hier überwiegend gute Erfahrungen gemacht, da es viele für uns zugängliche Daten gibt und auch kennen die Bewertungssysteme sehr gut kennen.

Wir vergeben hier primär kurzfristige Darlehen, versuchen allerdings auch immer weiter unser Angebot bei den Ratenkrediten zu verbessern.

Russland?

In Russland gehören wir zu den größten Kreditgebern im Nicht-Banken Segment. Hier haben wir zwei Büros und zwei Marken, mit denen wir aktiv sind. Wir schauen auch immer, ob sich hier die Einführung neuer Kreditarten lohnt, die wir neben den etablierten kurzfristigen Darlehen anbieten können. Wir haben es kurzzeitig mal mit Ratenkrediten versucht, haben dabei aber keinen großen Erfolg gesehen.

Kommen wir zu Georgien. Was kannst Du dazu sagen?

Georgien ist historisch gesehen eines unserer größten Märkte gewesen, besonders in der Zeit um 2016. Aber in der Folge gab es sehr viele regulatorische Einschränkungen, die einen Großteil der Kreditgeber aus dem Nicht-Banken Segment eliminiert haben. Die Banken-Lobby scheint einfach zu groß, da die Zinssätze für Darlehen immer häufiger nach unten gesetzt worden sind und sich dadurch ein Business-Modell, dass auf kurzfristigen Darlehen basiert, nicht mehr rentiert. Momentan geht es zwar noch, aber der Markt wird für uns dort immer kleiner.

Bleibt am Ende noch Kasachstan, wo man seit 2016 aktiv ist.

Ganz am Anfang hatten wir sehr hohe Erwartungen, doch das Wachstum ging nicht so schnell voran wie seinerzeit in Georgien. Aktuell vermitteln wir ca. eine Million an Darlehen jeden Monat. Also ein vergleichsweise kleiner Markt für uns.

Kannst Du etwas zu den Widerholungsquoten von Kreditnehmern erzählen, die auch ein zweites Darlehen von Twino aufnehmen? Sei es gesamt oder in einzelnen Ländern?

Die letzte Zahl, die ich gehört habe, lag zwischen 50 Prozent und 70 Prozent. Natürlich abhängig von dem jeweiligen Land und der Kreditart.

Ein häufig genanntes Thema bei Twino ist die Kreditverfügbarkeit. Gibt es spezielle Maßnahmen, die man ergreifen wird, um mehr Darlehen auf der Plattform anzubieten?

Investoren werden nichts davon haben, wenn wir einfach nur neue Darlehen ausgeben, die am Ende nicht bedient werden können. Was wir machen ist, dass wir uns noch mehr auf unsere aktuellen Kreditnehmermärkte fokussieren und hier bevorzugt neue Kreditarten ausprobieren wollen. Wir schauen parallel aber auch auf andere Märkte, zum Beispiel in Asien. Aber wir werden sicherlich nicht mehr in drei bis fünf neue Märkte gleichzeitig einsteigen. Ein Land nach dem anderen und vielleicht ein paar neue Kreditarten. Das soll der Weg sein.

Wie funktioniert der Bewertungsprozess von Kreditnehmern bei TWINO?

In den meisten Ländern, in denen wir aktiv sind, gibt es sehr zuverlässige Auskunfteien. Es gibt also erstmal genug allgemeine Informationen über unsere Kunden. Der Prozess sieht so aus, dass wir ein paar Fragen vorbereitet haben, wozu Basis-Informationen und Kontakt-Informationen gehören. Dann folgt der Kredit-Check und wir haben ein paar Kriterien entwickelt, anhand derer wir die Kreditwürdigkeit bewerten. Dafür laufen sehr viele Informationen zusammen, zum Beispiel aus sozialen Netzwerken, sofern wir darauf Zugriff haben.

Manchmal machen wir am Ende noch einen manuellen Check, in der Regel funktioniert der Prozess aber vollkommen automatisiert und es dauert gewöhnlich nicht länger als 15 Minuten.

Wie hoch ist die Quote von Kreditnehmer-Anfragen, die von Twino abgelehnt werden?

Aus dem Stand kann ich nicht alle Zahlen nennen, aber ich weiß, dass wir in Lettland ungefähr 20 Prozent aller Anfragen finanzieren. Übergreifend liegt die Quote zwischen 20 bis 30 Prozent. Die Chancen stehen also nicht schlecht, dass man gar keinen Kredit bekommt.

Wenn ein Darlehen ausfällt, wird dieses für Investoren durch die Rückkaufgarantie zurückgekauft. Dennoch wird sich Twino, nehme ich mal an, weiterhin mit dem Schuldner beschäftigen. Wie sieht der Inkasso-Prozess bei Twino aus?

Das kommt auf die einzelnen Länder an. Allgemein sieht es so aus, dass nachdem das Darlehen für 31 Tage im Verzug gewesen ist, wir den Kreditanteil vom Investor zurückkaufen. Danach kümmern sich unsere internen Telefonisten darum mit dem Kreditnehmer Kontakt aufzunehmen und zu kommunizieren, was genau das Problem bei der Rückzahlung ist.

Wenn das nicht hilft, verkaufen wir die Kreditforderungen in der Regel an spezialisierte Inkasso-Büros. Manchmal passiert das nach 90 Tagen, manchmal nach 120 Tagen. Der Preis hängt dann meistens davon ab, wie lange das Darlehen bereits im Verzug ist. Und: In allen Märkten haben wir spezielle Inkasso-Teams mit denen wir zusammenarbeiten, die uns bei diesem Prozess unterstützen, wann wir am besten die Kredite verkaufen sollten.

Zum Abschluss ein Blick in die Zukunft. TWINO CEO Armands Brooks meinte in einem Artikel aus dem Oktober 2018, dass man sich in 2019 um einen Bankenlizenz bemühen werde: “The cost of capital is the crucial thing. So we can offer better terms for our customers we need a banking license. With a license, money is much cheaper. [..] I think we’ll stay digital but with deposits, consumer lending and business loans. Next year we should convert to a bank.” Wie stehen die Chancen, dass das dieses Jahr noch passieren wird?

Für dieses Jahr sehr unwahrscheinlich. Aber wir schauen uns definitiv Lösungen in dieser Richtung an und beschäftigen uns sehr intensiv mit diesem Thema, wie wir uns als digitale Bank entwickeln können. Die Idee ist natürlich, dass wir mit einer Lizenz und Einlagensicherung noch einfacher an günstiges Kapital herankommen und dieses wiederum für die Finanzierung von Kreditnehmern einsetzen können. Aber es wird noch ein bisschen länger dauern, bis wir so weit sind.



Weitere Informationen zu besprochenen P2P Plattformen

Hi, ich bin Denny! Seit Januar 2019 schreibe ich auf diesem Blog über meine Erfahrungen beim Investieren in P2P Kredite. Meine Analysen sollen Privatanlegern dabei helfen reflektierte und gut informierte Anlageentscheidungen treffen zu können. Dafür schaue ich mir die Risikoprofile der einzelnen P2P Plattformen an, hinterfrage deren Entwicklungen, teile meine persönlichen Einschätzungen und beobachte übergeordnete Trends aus der Welt des Crowdlendings.    
Mein Bestseller "Geldanlage P2P Kredite" gilt in Fachkreisen als das beste deutschsprachige Finanzbuch zum gleichnamigen Thema. Zudem versammeln sich in der P2P Kredite Community auf Facebook tausende von Privatanlegern, die sich regelmäßig über die Anlageklasse P2P Kredite austauschen. 

3 Kommentare

  1. Hi Denny!
    Interessantes Interview. Vor allem der Spagat zwischen gesundem Ausfallrisiko und notwendigem Kreditvolumen für die Investoren ist extrem schwierig zu bewältigen. Meine Meinung: Wenn die Banklizenz und somit die Einlagensicherung kommt, dürfte p2p weiter enorm an Popularität gewinnen.
    Gruß, Florian

    1. Das sehe ich genauso. Allerdings ist es auch hier bezeichnend, dass Twino momentan mehr spricht als tatsächlich liefert. Im Oktober 2018 spricht man davon sich in 2019 zur Bank zu transformieren und im März 2019 will man davon nichts mehr wissen. Irgendwie passend zur aktuellen Situation.

  2. Zitat Roberts Lasovskis: “Die letzte Zahl, die ich gehört habe, lag zwischen 50 Prozent und 70 Prozent. (…) Aus dem Stand kann ich nicht alle Zahlen nennen, aber ich weiß, dass wir in Lettland ungefähr 20 Prozent aller Anfragen finanzieren. Übergreifend liegt die Quote zwischen 20 bis 30 Prozent. Die Chancen stehen also nicht schlecht, dass man gar keinen Kredit bekommt.”

    Ich gehe einmal davon aus, dass Herr Lasovskis wusste, dass er zu einem Interview mit einem gut vorbereiteten Interviewer geht und nicht nur davon irgendwie gehört hatte. Man erlebt es selten, dass jemand so schlecht vorbereitet sich den Fragen stellt. Oder Um es im Duktus von Herrn Lasovskis auszudrücken: Beim Interview standen die Chancen also nicht schlecht, dass man auf Fragen gar keine Antwort bekommt.

    Ich habe nur noch darauf gewartet, dass der gute Mann irgendwann gequält sagt: “Hm, ja, nee, also, äh: “Ich muss jetzt nach Hause, tut mir leid, meine Mama holt mich gleich ab.“
    Der Chef von Mintos trat da aber wesentlich souveräner und informierter auf.
    Vor ein paar Monaten habe ich bei Twino alles auf Null gestellt und das war eine gute Entscheidung.
    Danke Herr Neidhardt für das Interview.

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