Rechnungsfinanzierungen: Unterschätzte Kreditart beim Investieren in P2P Kredite?

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Sind Rechnungsfinanzierungen eine unterschätzte Kreditart beim Investieren in P2P Kredite?

Im P2P Kosmos werden vorrangig drei unterschiedliche Kreditsegmente bedient. Nämlich Darlehen für Verbraucher (u.a. Bondora, Twino, VIAINVEST), für Unternehmen (u.a. Debitum Network, Crowdestor) oder für Immobilien (u.a. EstateGuru, Bulkestate, EvoEstate).

Die Kreditarten lassen sich dabei in jedem Segment nochmal unterteilen.

Bei den sehr häufig vertretenen PayDay Loans handelt es sich zum Beispiel um besonders kurzfristige Konsumkredite von – in der Regel – bis zu maximal 30 Tagen. Besonders bei dieser Kreditart, bei der hohe Rendite und hohes Ausfallrisiko Hand in Hand gehen, liegen die Meinungen der Investoren sehr weit auseinander. Bei dem häufig moralisch sehr aufgeladenem Thema Konsumkredite, wollen die einen keine Schuld am vermeintlichen Leid der finanziell gebeutelten Kreditnehmer haben, andere argumentieren mit der freien Entscheidung des Individuums und freuen sich über eine saftige Rendite.

Ob Konsumkredite gut oder schlecht sind, soll an dieser Stelle aber nicht weiter ausgeführt werden. Stattdessen möchte ich den Fokus auf eine wenig bis kaum beachtete Kreditart lenken, die von Investoren als eine echte Alternative zur Diversifikation des Kreditportfolios berücksichtigt werden sollte – nämlich den Rechnungsfinanzierungen!

Wie diese Kreditart funktioniert, welche Vorteile hervorzuheben sind und welche P2P Plattformen diese Kreditart anbieten, erfährst Du in diesem Artikel!


Was sind Rechnugsfinanzierungen?

Rechnungsfinanzierungen werden der Klassifizierung der Unternehmenskredite zugeordnet. Im Englischen wird diese Kreditart auch häufig als invoice financing oder factoring bezeichnet.

Rechnungsfinanzierungen bieten in der Regel einen sehr einfachen Weg für Unternehmen, um sofort das Geld von ausstehenden Rechnungen seiner Kunden zu erhalten. Dafür werden die Forderungen an einen Kreditgeber verkauft, der wiederum einen hohen Prozentsatz der offenen Rechnung unmittelbar an das Unternehmen weiterleitet und sich dann im Hintergrund um die Eintreibung der offenen Forderung beim Kunden bemüht.


Wie funktionieren Rechnungsfinanzierungen?

Um die Funktionsweise von Rechnungsfinanzierungen zu verstehen, sollte man auf drei Parteien achten: Zum einen gibt es das Unternehmen, welches ein Produkt oder eine Dienstleistung anbietet, zum anderen gibt es einen Kunden, der das Produkt oder die Dienstleistung in Anspruch genommen hat und als drittes gibt es den Kreditgeber, oftmals auch als „Factor“ bezeichnet.


Welche Kreditnehmer Factoring Kredite benutzen

Besonders häufig werden Rechnungsfinanzierungen dabei von kleineren Firmen in Anspruch genommen, da lange Zahlungsfristen oder unpünktliche Zahlungen dazu führen können, dass das Unternehmen Probleme bei der Bedienung von Betriebskosten, täglichen Ausgaben, Gehaltszahlungen oder bei anderen finanziellen Verpflichtungen bekommt.

Auch das Wachstum kann durch den ausbleibenden Cashflow verlangsamt werden. Insbesondere saisonale Geschäfte, die zum Beispiel vermehrt in der Weihnachtszeit produzieren, sind auf die schnelle Liquidität angewiesen.


Schneller als die Bank: Der „Factor“ als Kreditgeber

Eine Abhilfe schafft dabei der Factor, also der Kreditgeber, welcher dem Unternehmen die ausstehenden Forderungen abkauft und sofort einen Großteil der Rechnungssumme überweist. In der Regel sind das zwischen 75 und 90 Prozent.

Die Unternehmen erhalten dadurch sofort das Geld und die Kreditgeber bekommen die Rechnung als Sicherheit, um dann die Zahlungen von den Kunden des Kreditnehmers zu erhalten. Der restliche Betrag wird dann, abzüglich der Provision, erst nach Erhalt der offenen Rechnungssumme überwiesen.


Unterscheidung zwischen Factoring und Discounting

Allgemein wird der Begriff Factoring sehr häufig als ein Synonym für die Rechnungsfinanzierung benutzt. Das stimmt allerdings nur teilweise, da sich die Rechnungsfinanzierung sowohl in Factoring als auch in Discounting unterteilen kann.

Der Unterschied liegt darin, dass der Kreditgeber beim Factoring in den direkten Austausch mit dem Kunden treten. Beim Discounting bleibt die Kundenkommunikation hingegen in der Hand des Unternehmens.

Factoring eignet sich daher besonders bei Unternehmen, die keine Zeit oder andere Ressourcen besitzen, wie zum Beispiel ein Mahnwesen, um die Rechnungen selbst nach zu verfolgen. Nachteilig ist dabei, dass der Kunde dadurch von der Zusammenarbeit mit einem Factor erfährt, was ggf. für Verwirrung sorgen oder auch als Anzeichen für finanzielle Schwierigkeiten gewertet werden kann.

Beim Discounting erfährt der Kunde hingegen nichts von der Zusammenarbeit mit dem Kreditgeber, dafür muss sich das Unternehmen aber auch selbst um das Forderungsmanagement kümmern.


Recourse Factoring und Non-Recourse Factoring

Auch das Factoring selbst, kann nochmal in Recourse und Non-Recourse unterteilt werden. Bei Recourse Factoring, auch als unechtes Factoring bezeichnet, verbleibt das Risiko von Zahlungsausfällen beim Kreditnehmer. Beim echten Factoring, dem Non-Recourse, übernimmt der Kreditgeber beim Ankauf der Forderungen hingegen auch das Risiko von Forderungsausfällen mit.

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Welche Vorteile bietet die Rechnungsfinanzierung?

Nun nochmal die Vorteil von Rechnungsfinanzierungen kurz zusammengefasst:


1 – Schnellere Liquidität und besserer Cashflow für Kreditnehmer

Auch wenn Unternehmen durch die Kooperation mit einem Kreditgeber ein paar Prozent der Rechnungssumme abgeben müssen, hat das Unternehmen dafür sofortige Planungssicherheit und einen besseren Cashflow für neue Aufträge und die weitere Entwicklung.

Der Factor stellt das Geld meistens innerhalb von 72 Stunden zur Verfügung, manchmal sogar schon nach nur 24 Stunden.


2 – Rechnungen als Sicherheit bei geringem Vermögen der Kreditnehmer

Da Rechnungen bei den meisten Kreditgebern bereits als eine ausreichende Sicherheit angesehen werden, müssen die Kreditnehmer für gewöhnlich keine weiteren Vermögenswerte des Unternehmens als Sicherheit verpfänden, um das Geld zu erhalten. Besonders junge Unternehmen, denen es noch an Vermögen mangelt, können dadurch bei der Rechnungsfinanzierung profitieren.


3 – Absicherung bei Zahlungsverzug und Forderungsausfällen

Auch verspätete Zahlungen oder uneinbringliche Forderungen können immer mal wieder auftreten und dadurch ein Unternehmen negativ belasten. Beim sogenannten Non-Recourse Factoring, auch als echtes Factoring bezeichnet, übernimmt der Kreditgeber beim Ankauf der Forderungen auch gleich das Risiko von Forderungsausfällen mit dazu.


4 – Vergleichsweise sichere Kreditart

Rechnungsfinanzierungen bieten außerdem noch den Vorteil, dass es sich dabei um eine vergleichsweise sichere Kreditart handelt, da die Leistungserbringung bereits stattfand. Entsprechend einfacher lassen sich auch die Ansprüche geltend machen.


Wie und wo kann man als Privatanleger von Rechnungsfinanzierungen profitieren?

Bleibt also noch die Frage, wie kann man nun als Investor von Rechnungsfinanzierungen profitieren kann.

Da die rechnungsfinanzierenden Kreditgeber am Ende des Tages klassische Wirtschaftsunternehmen sind, welche ihre Eigenkapitalrendite durch den Einsatz von Fremdkapital steigern wollen, haben auch Privatanleger die Möglichkeit von dieser Kreditart zu profitieren.

Hier gibt es ein paar P2P Möglichkeiten, wo sich Investoren an Rechnungsfinanzierungen beteiligen können:


Debitum Network

Das lettische Fintech Debitum Network, welches ich erstmals im März 2019 persönlich kennengelernt habe und bei dem ich seit Juni 2019 auch selbst investiert bin, bietet auf seinem Marktplatz sowohl Firmenkredite für KMUs als auch Factoring-Darlehen an. Die Rechnungsfinanzierungen machen dabei aktuell, bezogen auf das Kreditvolumen, einen Anteil von 20 bis 25 Prozent auf der Plattform aus.

Eine Besonderheit liegt bei Debitum Network unter anderem darin, dass die meisten Factoring Kredite sehr kurzfristige Laufzeiten besitzen. Der Grund ist aber nicht die kurzfristige Laufzeit des Darlehens selbst, sondern weil die Kreditgeber das Darlehen tendenziell erst in der Endphase zur Verfügung stellen dürfen.

Sollte der Kreditnehmer also bereits einen Großteil ordnungsgemäß zurückgezahlt haben, steigt damit auch die Wahrscheinlichkeit, dass auch der Rest des Darlehens bedient werden kann.

Schau Dir gerne mal meine Artikelsammlung zu Debitum Network an, wo ich bereits ausführlich über die Plattform berichtet habe.


Investly

Das britische Unternehmen Investly operiert seit 2013 am Markt und konzentriert sich ausschließlich auf Rechnungsfinanzierungen. Durch die Plattform konnten bis dato Rechnungen im Wert von ca. 45 Mio. Euro finanziert werden.


Lenndy

Die lettische Plattform Lenndy ist vielleicht manchen Anlegern bekannt, da diese aufgrund regulatorischer Vorgaben daran scheiterte sein Geschäftsmodell in Litauen anzumelden, woraufhin das Unternehmen dann nach Lettland ausgewichen ist.

Bislang wurden über Lendy 7,85 Mio. Euro an Rechnungskrediten finanziert, was 21,8 Prozent des gesamten Kreditportfolios entspricht.


Mintos

Auch bei Mintos kann man vereinzelt in Factoring Kredite investieren. Zum einen durch DEBIFO, das unter anderem durch die Gründer von Debitum Network aufgebaut und Anfang 2019 an Factris verkauft wurde, zum anderen via Capitalia. Aktuell gibt es von beiden Kreditgebern jedoch keine Darlehen auf dem Primärmarkt zu kaufen.

Du suchst die passende P2P Plattform? Hier findest Du eine Übersicht von +25 europäischen P2P Plattformen, die Du miteinander vergleichen kannst!

Fazit: Bieten Rechnungsfinanzierungen eine sinnvolle Möglichkeit der Diversifikation?

Das Rendite-Risiko Profil unterscheidet sich bei Rechnungsfinanzierungen sehr deutlich von den im P2P Sektor vorwiegend vertretenen Konsumkrediten und bieten dadurch einen echten Mehrwert im Hinblick auf die Diversifikation des Kreditportfolios. Die Verzinsungen sind zwar deutlich geringer, kommen dafür aber auch mit einer vermeintlich größeren Sicherheit.

Wer in Factoring Kredite investieren möchte sollte sich aber unabhängig davon auch die einzelnen P2P Plattformen sehr genau ansehen und im Hinblick auf mögliche Risiken bewerten. Hier ist der Fokus deutlich höher zu gewichten als die Diversifikation durch eine weitere, wenngleich auch attraktive, Kreditart.


Sind Rechnungsfinanzierungen eine unterschätzte Kreditart? Das Video zum Artikel!


Weitere Informationen zu besprochenen P2P Plattformen

Hi, ich bin Denny! Seit Januar 2019 schreibe ich auf diesem Blog über meine Erfahrungen beim Investieren in P2P Kredite. Meine Analysen sollen Privatanlegern dabei helfen reflektierte und gut informierte Anlageentscheidungen treffen zu können. Dafür schaue ich mir die Risikoprofile der einzelnen P2P Plattformen an, hinterfrage deren Entwicklungen, teile meine persönlichen Einschätzungen und beobachte übergeordnete Trends aus der Welt des Crowdlendings.    
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