Wenn es um die Risikobewertung bei P2P Kredite Plattformen geht, dann ist das Thema Transparenz häufig nicht sehr weit weg. Das vorherrschende Mantra lautet hierbei, dass je transparenter eine P2P Platform ist, desto vermeintlich sicherer ist diese auch am Ende des Tages. Ein durchaus nachvollziehbarer Gedankengang, schließlich sollten transparent-agierende Plattformen in der Regel auch nichts zu verbergen haben.
Von daher ist Transparenz bei P2P Kredite Plattformen eine zwingende und notwendige Voraussetzung, um Vertrauen bei seinen Anlegern aufzubauen.
Aber was bedeutet es eigentlich ganz konkret, wenn man von einer transparenten P2P Kredite Plattform spricht? Welche Ebenen gibt es und welche Kriterien könnte man hierfür anwenden?
Nachdem ich im Depot Update Juni 2023 das Motto „0 Toleranz für Intransparenz“ ausgerufen habe, und darauf aufbauend meinen Exit bei Bondora Go & Grow und Viainvest verkündet habe, will ich heute etwas genauer auf dieses Thema eingehen und meine persönlichen Bewertungsfaktoren für eine transparente P2P Plattform erklären.
Was macht eine transparente P2P Kredite Plattform aus?
Das Wort Transparenz leitet sich aus dem lateinischen „transparens“ ab und bedeutet so viel wie „durchscheinend oder Durchsichtigkeit“. Eine Definition für Transparenz lautet daher:
„Durchschaubarkeit oder Durchsichtigkeit einer materiellen oder immateriellen Sache bzw. eines Sachverhalts.“
Im Kontext der P2P Kredite bedeutet das demnach eine durchlässige und nachvollziehbare Darstellung von Informationen, welche es Anlegern ermöglicht den Sachverhalt (die Risikoeinschätzung) nach bestem Wissen analysieren und bewerten zu können.
Um die Transparenz einer P2P Kredite Plattform in der Praxis zu überprüfen, habe ich unterschiedliche Ebenen und Faktoren erstellt, welche meiner Auffassung nach für eine transparente P2P Plattform sprechen. Herausgekommen sind dabei vier Ebenen mit 9 Faktoren. Geprüft werden diese Faktoren am Beispiel von 11 Plattformen, die sich derzeit in meinem P2P Portfolio befinden.
Hierbei sollte beachtet werden, dass der Faktor der Transparenz losgelöst von der Bewertung des gleichen Faktors ist. Ein Beispiel: Wenn eine Plattform einen Geschäftsbericht veröffentlicht, dann ist das ein positives Zeichen für Transparenz, im Hinblick auf die Bewertung der finanziellen Stabilität eines Unternehmens.
Dass das Ergebnis dieses Geschäftsberichts womöglich darauf hindeutet, dass es sich um ein finanziell instabiles Unternehmen handelt, spielt in dieser Betrachtung keine Rolle. Insofern wird lediglich der Faktor an sich bewertet, nicht aber dessen inhaltliche Bedeutung für die Gesamtbewertung der Plattform.
In diesem Zusammenhang kannst Du dir meinen Artikel durchlesen, in dem ich die Geschäftsberichte von Mintos, Bondora & Co. analysiert habe.
Ebene 1: Das Kreditportfolio
Die aus meiner Sicht beiden wichtigsten Kriterien für eine transparente P2P Plattform stehen im Zusammenhang mit dem Kreditportfolio.
- Wie groß ist das verwaltete Kreditportfolio der P2P Plattform?
- Gibt es Angaben zu der Performance des verwalteten Kreditportfolios?
Wie sich in meinem Artikel „Too Big To Fail? – Warum scheitern die großen P2P Plattformen?“ bereits herausgestellt hat, ist die Performance des Kreditportfolios das wichtigste Kriterium für die Risikobewertung einer Plattform. Insofern würde ich dieses Kriterium auch deutlich höher als alle anderen Aspekte gewichten.
Dass eine etablierte Plattform wie Bondora, die Millionen von Anlegergeldern verwaltet, keine Angaben zum verwalteten Vermögen seiner Anleger macht, geschweige denn wie sich die Performance von Bondora Go & Grow darstellt, ist aus meiner Sicht nicht zu tolerieren.
Auch bei Viainvest, wo es sich sogar um eine regulierte P2P Plattform handelt, findet man diese Informationen vergebens – traurig!
Einen Punktabzug gibt es außerdem bei Twino. Zwar gibt es Informationen zu beiden Aspekten, allerdings werden diese nur sehr unregelmäßig geteilt. Eine Angabe dieser KPIs auf der Statistik-Seite, wo die Zahlen täglich aktualisiert werden, ähnlich wie man es beispielsweise bei PeerBerry, Esketit oder Income vorfindet, wäre begrüßenswert.
Ebene 2: Gesellschafter und Management
Auf der zweiten Ebene geht es um die Personen hinter der Kulissen – sowohl auf Gesellschafterseite- als auch auf Management-Ebene.
- Gibt es Angaben zu den Gesellschaftern und deren Aufteilung?
Ich möchte wissen, wer die Personen im Hintergrund einer Plattform sind. Wer zieht die Fäden und was ist über die Gesellschafter bekannt. Hier gibt es sowohl bei Bondora als auch bei HeavyFinance einen Punktabzug, da die Gesellschafter zwar transparent aufgelistet werden, nicht jedoch deren Anteile an dem Unternehmen.
- Team-Infos auf der Webseite
Auf der anderen Seite soll es aber auch um das operative Management einer Plattform gehen. Werden diese Personen auf der Webseite der P2P Plattform aufgeführt? Auch hierzu gibt es bei Bondora keinerlei Angaben.
- Öffentliche Auftritte CEO
Der CEO ist der oberste Repräsentant einer P2P Plattform. Entsprechend wünsche ich mir auch öffentliche Äußerungen zu der Entwicklung seines Unternehmens. Denn auch das spiegelt aus meiner Sicht eine transparente P2P Plattform wieder.
Bei Crowdpear als auch bei Viainvest findet man hierzu – wenn überhaupt – nur vereinzelt öffentliche Aussagen des CEOs. Ein öffentlicher Diskurs mit Bloggern oder YouTubern, zum Beispiel in Form von Video-Interviews, gibt es hier leider nicht.
Auch der neue Twino-CEO Helvijs Henšelis, der mittlerweile schon fast ein Jahr lang das operative Management bei Twino leitet, könnte sein Profil durch öffentliche Auftritte noch deutlich mehr schärfen. Ebenfalls einen Punktabzug gibt es bei Bondora, weil hier lediglich die eigenen Marketingkanäle zur Kommunikation genutzt werden. Sämtliche Gesprächseinladungen und ein direkter Dialog mit Bondora CEO Pärtel Tomberg, bei dem auch kritische Fragen gestellt werden könnten, werden von der Plattform abgelehnt.
Besonders positiv möchte ich hierbei den Income Marketplace CEO Kimmo Rytkönen und den LANDE CEO Nikita Goncars hervorheben. Beide Chefs sind sowohl im persönlichen als auch im öffentlichen Dialog sehr umtriebig und aktiv.
Ebene 3: Die Kommunikation
Wie gestaltet sich die Kommunikation einer P2P Plattform? Eine sehr facettenreiche Ebene, für die man mehrere Unterscheidungen treffen könnte.
- Regelmäßige Kommunikation via Newsletter, Blog oder Social Media?
Für mich ist eine regelmäßige Kommunikation von hoher Bedeutung. Dabei spielt es in erster Linie keine Rolle, welches Medium dabei gewählt wird – sei es via Newsletter, Blog oder Social Media. Hierbei geht keine der elf Plattformen komplett unter, allerdings sehe ich noch Verbesserungspotenzial bei Twino, Profitus und Viainvest.
- Aktiv verwaltete Telegram Gruppe
In den letzten Monaten ist Telegram für mich ein immer wichtiger gewordenes Medium geworden, um sich unmittelbar mit den aktuellen Themen und Baustellen einer P2P Plattform zu beschäftigen (Hier kannst Du übrigens meinem Kanal folgen).
Der Grund: Aktuell sehe ich keine bessere Alternative, wo eine Vielzahl von interessierten Anlegern gleichzeitig und direkt in einen öffentlichen Dialog mit einer Plattform treten können. Bei Income Marketplace wirbt man sogar mit einem Top-Banner auf der Startseite, dass man dem Telegram-Kanal für einen Dialog mit der Plattform folgen solle – vorbildlich!
Allerdings werden nicht alle auf Telegram vertretenen Kanäle auch zwangsläufig von den Plattformen moderiert und begleitet. Eine aus meiner Sicht ganz klar verpasste Chance, um sofort auf die Bedenken seiner Investoren einzugehen. Warum man wie bei Viainvest argumentiert, dass man lieber auf einzelne Support-Anfragen reagiert, anstatt die gleichen Anliegen einmalig via Telegram zu beantworten, erschließt sich mir persönlich nicht.
Aber auch Plattformen wie Bondora, Estateguru oder Twino sollten eigentlich die Kapazitäten besitzen, um einen Support-Mitarbeiter für die Beantwortung aktueller Anliegen abstellen zu können.
Vielleicht wäre das auch ein Anreiz für Profitus, die als einzige meiner gelisteten Plattformen noch über keinen Kanal auf Telegram verfügt.
Ebene 4: Die Finanzen
Auf der letzten Ebene geht es für mich um das Thema Finanzen.
- Veröffentlicht die P2P Plattform Geschäftsberichte?
- Werden die Geschäftsberichte von anerkannten Auditoren überprüft?
Hierbei sollte unterschieden werden, ob es a) Geschäftsberichte gibt und b) ob diese auch entsprechend geprüft werden. PeerBerry, die sich seit Jahren weigern geprüfte Jahresabschlüsse zu veröffentlichen, gelten hierfür als ein Negativ-Beispiel. Ob berechtigt oder nicht, siehe Todschlag-Argument Wirecard, sei in diesem Fall dahingestellt.
Bei Crowdpear sollte der Fairness halber erwähnt werden, dass sich die Plattform noch im ersten Jahr seiner Geschäftstätigkeiten befindet und diese Kategorie daher obsolet ist. Zu Profitus finden sich hingegen öffentliche Finanzkennzahlen, diese werden allerdings nicht in Form eines Geschäftsberichts mit seinen Investoren geteilt.
In der Bringschuld sind aus meiner Sicht auch Lande und Income Marketplace, deren Anspruch es jetzt ebenfalls sein sollte finanzielle KPIs mit seinen Anlegern zu teilen.
Ergebnis und Auswertung
Ähnlich wie bei meinem P2P Kredite Rating, folgt an dieser Stelle ein großer Disclaimer zu meinen Ergebnissen: Das Ranking ist rein subjektiv und entspricht nur meinen persönlichen Kriterien. Andere Kriterien oder ein anderes Scoring-Modell können zu komplett unterschiedlichen Ergebnissen führen.
Angaben zur Performance des Kreditportfolios sind für mich persönlich höher zu gewichten als öffentliche Auftritte des CEOs. Genauso kann man darüber diskutieren, ob Telegram nicht unter dem Faktor „Regelmäßige Kommunikation“ mit aufgefasst werden könnte und ob Geschäftsberichte bei jungen Plattformen wie Crowdpear nicht entfallen sollten.
Am Ende ist es nur ein theoretisches Konstrukt und keine tatsächliche Aussage darüber, bei welchem Anbieter es sich um die transparenteste P2P Kredite Plattform handelt.
Gleichzeitig kann man aber durchaus eine Tendenz erkennen, welche P2P Kredite Plattformen beim Thema Transparenz punkten können und welche nicht.
HeavyFinance
Überraschender Sieger meiner kleinen Transparenz Auswertung ist HeavyFinance. Die litauische Agrar-Plattform konnte in jeder Kategorie punkten. Lediglich die exakte Aufteilung der Gesellschafteranteile (Argument: Kein Zugang dieser Informationen für Wettbewerber) könnte verbessert werden.
PeerBerry
Das Thema “auditierte Geschäftsberichte” ist bei PeerBerry ein altes Lied und wurde schon häufig diskutiert. Die Plattform sieht darin keine Notwendigkeit, was ich jedoch mit Punktabzug ahnden muss. Abseits dessen zeigt sich PeerBerry äußerst transparent. Hervorzuheben ist der große Aktionsradius von Rita auf sämtlichen Kanälen.
Estateguru
Auch Estateguru verfügt über ein sehr transparentes Profil. Lediglich die Kommunikationsführung auf Telegram, wo man angeblich nur „stiller Mittleser“ sei, könnte überdacht werden.
Esketit
Das Manko bei Esketit sind die (noch) fehlenden Geschäftsberichte. Hier stützt man sich primär auf die Ergebnisse seines größten Kreditgebers, der AvaFin Holding (ehemals Creamfinance). Abseits dessen verfolgt Esketit einen durchaus transparenten Ansatz.
Income Marketplace
Auch bei Income Marketplace sorgt das Thema „Geschäftsberichte“ für einen zweifachen Punktabzug. Dass man noch nicht profitabel ist, sollte kein Vorwand sein, um die Kosten im mittleren fünfstelligen Bereich in die Hand zu nehmen, um etwas mehr finanzielle Transparenz herzustellen.
LANDE
Gleiches Spiel bei LANDE. Hier wird argumentiert, dass das neue Unternehmen erst in Q1/2022 gestartet sei und man deshalb nicht verpflichtet sei bereits jetzt Finanzkennzahlen zu veröffentlichen. In der Theorie kann das stimmen, in der Praxis sollte das aber kein Hinderungsgrund sein, sofern man es ernst mit der finanziellen Transparenz nimmt.
Twino
Twino ist per se nicht intransparent. Das Hauptproblem lautet hier Kontinuität. In manchen Monaten werden Ergebnisse zur Performance geteilt, in anderen Monaten wartet man vergebens. Automatisierte Prozesse in den Statistiken und mehr Sichtbarkeit des CEOs könnten das Transparenz-Profil relativ leicht aufbessern.
Profitus
Profitus lebt gefühlt etwas mehr in seinem eigenen (litauischen) Kosmos. Zumindest hat man nicht den Eindruck, dass die Plattform, abseits seiner litauischen Community, wirklich den Dialog mit seinen europäischen Anlegern sucht. Selbst die Marketing-Chefin bevorzugt es bei Neuigkeiten ihr LinkedIn- Netzwerk auf Litauisch zu informieren. Zudem scheint man auch keinen Wert auf die Kommunikation seiner Finanzkennzahlen zu legen, wenngleich die letzten Ergebnisse durchaus vorzeigbar wären.
Crowdpear
Das PeerBerry Spin-Off Crowdpear leidet in der Bewertung ein bisschen unter der noch jungen Historie der Plattform. Zudem musste ein anderer CEO als bei PeerBerry eingesetzt werden, damit Interessenskonflikte vermieden werden. Erster Ansprechpartner ist allerdings auch hier Arunas. Sobald das Portfolio wächst, werden sicherlich auch Performance KPIs in den Statistiken folgen. Aktuell scheint es dafür noch keine Notwendigkeit zu geben.
Viainvest
Für eine regulierte P2P Plattform, welche einen gewissen Transparenz-Standard erfüllen muss, ist das Abschneiden von Viainvest absolut enttäuschend. Keine Angaben zur Performance des Kreditportfolios, keine erkennbare Linie des Managements und so gut wie keine öffentliche Kommunikation mit seinen Anlegern. Der Abgang von Simona hat große Fußabdrücke hinterlassen, die bis heute nicht gefüllt werden konnten.
Bondora
Bondora lebt in erster Linie von seinen starken Finanzkennzahlen und einer immer noch großen Lobby bei vielen Go&Grow Anhängern. Abseits dessen gibt es wenig Argumente, warum viele Anleger das überaus intransparente Verhalten dieser unregulierten P2P Plattform aus Estland weiterhin tolerieren sollten.
Was denkt Ihr über das Thema Transparenz bei P2P Krediten? Wie wichtig ist euch dieser Faktoren und gibt es bestimmte Kriterien, die ich aus eurer Sicht vergessen habe? Schreibt mir euer Feedback gerne in die Kommentare!
Transparenz bei P2P Kredite Plattformen: Das Video
Hi, ich bin Denny! Seit Januar 2019 schreibe ich auf diesem Blog über meine Erfahrungen beim Investieren in P2P Kredite. Meine Analysen sollen Investoren dabei helfen reflektierte und gut informierte Anlageentscheidungen treffen zu können. Dafür schaue ich mir die Risikoprofile der einzelnen P2P Plattformen an, hinterfrage deren Entwicklungen und teile meine persönlichen Einschätzungen mit meiner Community. Mein Bestseller "Geldanlage P2P Kredite" gilt in Fachkreisen als das beste deutschsprachige Finanzbuch zum gleichnamigen Thema.