Lohnt es sich, mit Hilfe des e-residency Programms, ein Gewerbe in Estland anzumelden? Mit dieser Fragestellung habe ich mich bereits seit vielen Jahren beschäftigt. Unter anderem im Januar 2019, wo ich zu einer Info-Veranstaltung in die estnische Botschaft in Berlin eingeladen worden bin.
Jetzt, dreieinhalb Jahre später, bin ich stolzer Besitzer einer digitalen Staatsbürgerschaft und seit dem 12.09.2022 ist mein estnisches Gewerbe auch im Unternehmesregister eingetragen.
Der Prozess, von der Bewerbung einer e-Residency, hin zu einem vollständig funktionierendem Business in Estland, ist erschreckend einfach und unkompliziert gewesen.
Daher möchte ich in diesem Artikel ausführlich auf das e-Residency Programm eingehen. Was es ist, welches Vorteile es bietet und wie der Ablauf funktioniert.
Gleichzeitig möchte ich auch einen Fokus darauf legen welche Schritte man bei einer Gewerbeanmeldung berücksichtigen sollte, welche Kosten entstehen und wie man die besten Partner für die Unternehmensgründung und den laufenden Geschäftsbetrieb findet.
Dafür bin ich extra nach Tallinn gereist – die estnische Hauptstadt – und habe vor Ort mit einigen Anbietern gesprochen. Meine Erfahrungen findest Du dazu in diesem Artikel.
Meine persönliche Geschichte
Bevor ich auf die e-Residency und die Gewerbeanmeldung im Detail eingehe, ein kurzer Abriss zu meiner persönlichen Geschichte.
Meinen Gewerbebetrieb habe ich am 1. Oktober 2018 in Deutschland angemeldet. Da ich seit jeher auch meinen Wohnsitz in Deutschland besaß, kam es für mich nie wirklich in Frage meine geschäftlichen Tätigkeiten über eine im Ausland ansässige Firma zu verlagern. Insbesondere die Angst vor der ausländischen Bürokratie hat mir viele Sorgen gemacht, wenngleich man steuerlich bestimmt bessere Lösungen als in Deutschland gefunden hätte.
Im November 2021 meldete ich dann meinen Wohnsitz in Deutschland ab.
Das Ziel war es, zusammen mit meiner Frau, für einige Jahre im Ausland als eine Art Perpetual Traveler unterwegs zu sein. Also ohne festen Wohnsitz. Eine Rückkehr nach Deutschland schien sehr realistisch, allerdings erst in einigen Jahren.
Meine Intention bestand darin mein Welteinkommen (Gewerbeeinkünfte, Vermietung & Verpachtung, Kapitalerträge) weiterhin zu 100% in Deutschland zu versteuern. Auch das ist ökonomisch sicherlich nicht die beste Lösung, aber ich wollte mir wegen einigen Jahren keinen großen Stress machen.
Das Problem: Das deutsche Finanzamt zeigte sich sehr verwundert aufgrund meiner Pläne und konnte nicht wirklich nachvollziehen, wo meine digitalen Dienstleistungen erbracht werden und wie meine steuerliche Ansässigkeit aufgrund eines fehlenden Wohnsitzes zu interpretieren sei.
Die Konsequenz: Trotz meiner Bemühungen bereitwillig MEHR Steuern in Deutschland zu bezahlen, stufte man mich als beschränkt steuerpflichtig ein. Dadurch wird mir unter anderem der Grundfreibetrag von 9.984 Euro aberkannt, was für mich der finale Anstoß gewesen war zu handeln.
Was ist die e-Residency?
E-Residency bedeutet so viel wie „virtueller Wohnsitz“. Dahinter verbirgt sich ein Programm der estnischen Regierung, welches am 1. Dezember 2014 eingeführt worden ist.
Wer Inhaber einer e-Residency ist, der besitzt eine digitale und staatlich ausgestellte Identität, mit der man die Möglichkeit hat Zugang zu Estlands elektronischen Dienstleistungen, wie der Unternehmensgründung, zu bekommen.
Um Missverständnissen vorzubeugen ist es auch wichtig zu verstehen was die e-Residency NICHT ist: Es ist kein gültiger Ausweis (und kann nicht als Reisedokument verwendet werden), keine Staatsbürgerschaft, es definiert nicht den steuerlichen oder physischen Wohnsitz und es garantiert keinen Zugang zu Bankdienstleistungen.
Warum gibt es das e-Residency Programm?
In erster Linie ist das e-Residency Programm geschaffen worden, um dadurch die Wirtschaft und die Ökonomie im eigenen Land zu stärken. Durch ihre Unternehmen haben e-Residents allein 24 Mio. Euro an Steuereinnahmen im ersten Halbjahr 2022 gezahlt. Das entspricht einem Anstieg von 85% zum Vorjahr. Die Kosten, die durch das Programm entstehen, werden dabei bei weitem übertroffen.
Im Jahr 2021 generierte das e-Residency-Programm insgesamt 35,2 Mio. Euro an direkten wirtschaftlichen Einnahmen. Die Gesamtkosten des Programms beliefen sich dagegen nur auf 5,8 Mio. Euro.
Zudem sind bis Ende Juni 2022 insgesamt 3.262 estnische Einwohner in Unternehmen beschäftigt gewesen, die von e-Residents geführt werden. Der wirtschaftliche Einfluss des Programms ist also nachweislich vorhanden.
Welche Vorteile bietet eine e-Residency?
Digitale Unternehmensgründung und Verwaltung: Das e-Residency Programm ist sehr stark auf digitale und ortsunabhängige Unternehmer ausgerichtet. Durch die digitale Staatsbürgerschaft besitzen diese die Möglichkeit ein Unternehmen mit Sitz in der EU anzumelden, dieses vollständig online zu gründen und auch zu verwalten.
Schnelligkeit: Estland ist ein verhältnismäßig kleines Land, welches sehr digital-affin, innovativ und agil ist. Diese Eigenschaften äußern sich auch in der Schnelligkeit bei vielen Prozessen. Der österreichische Entrepreneur Dominik Panosch gründete sein estnisches Unternehmen zum Beispiel in unschlagbaren 15 Minuten und 33 Sekunden. Ein weltweit neuer Rekord. Auch bei mir persönlich ist das Unternehmen innerhalb von 24 Stunden angemeldet gewesen.
Steuern: Gemäß der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat Estland bereits das achte Jahr in Serie den Sieg als wettbewerbsfähigstes Steuersystem in der Welt eingefahren. Die Einkommenssteuer beträgt durchgehend 20% und findet nur dann Anwendung, wenn Gewinne als Dividenden ausgeschüttet werden. Mehr zum Thema Steuern weiter unten.
Sicherheit: Die digitale Infrastruktur Estlands basiert seit 2008 auf der Blockchain und bietet in Verbindung mit sicheren, eindeutigen digitalen IDs eine beispiellose Datensicherheit.
Zahlen, Daten und Fakten
Ich mag Statistiken. Daher hier ein paar Zahlen, Daten und Fakten rund um das e-Residency Programm in Estland:
Aktuell (Stand: September 2022) gibt es ca. 95.000 e-Residents. Nach Russland (5.838) und der Ukraine (5.620) machen deutsche Personen mit 5.552 Registrierungen den drittgrößten Anteil aus.
Die gleiche Reihenfolge zeigt sich auch bei den angemeldeten Unternehmen. Russland (1.749) führt hier das Feld vor der Ukraine (1.730) und Deutschland (1.710) an, wobei die Unterschiede relativ gering sind. Russland dürfte zeitnah nur noch die dritte Geige spielen, da das e-Residency Programm seit April 2022 keine russischen Anträge auf eine e-Residency mehr annimmt. Die Gesamtanzahl der registrierten Unternehmen liegt bei ca. 22.500.
Die meisten Unternehmen bewegen sich in der Vertikale IT, Programmierung und Beratung (5.991), gefolgt von Verwaltung und Unternehmensberatung (3.809) sowie dem Einzelhandel (2.193).
e-Residency beantragen
Wie sieht der Ablauf von der Beantragung bis hin zum Erhalt einer e-Residency aus? Hier sind die wichtigsten Schritte.
1. Die Voraussetzungen
Wer kann sich bewerben: Grundsätzlich gibt es keine Altersbeschränkungen bei der e-Residency Bewerbung. Vom Programm ausgeschlossen sind estnische Staatsbürger und seit April 2022 auch Personen aus Russland oder Weißrussland.
Benötigte Unterlagen: Dazu gehört ein gültiger Personalausweis, ein digitales Foto mit Personalausweis-Charakteristiken und ein Motivationsschreiben für die Bewerbung. Nach meinen Informationen sollen dabei insbesondere Anträge herausgefiltert werden, welche das Programm falsch verstanden haben. Zum Beispiel wenn die Annahme besteht, dass die e-Residency als gültiger Reisepass oder Visum gilt.
Dauer: Die Bewerbung ist in ca. 30 Minuten fertig.
Kosten: Um die Bewerbung abzuschließen und abzuschicken muss eine Gebühr in Höhe von 120 Euro entrichtet werden.
2. Die Prüfung
Wer prüft: Die Bewerbung wird vom estnischen Polizei- und Grenzschutzamt (PBGB) überprüft. Hier wird die Entscheidung über die e-Residency-Anträge gefällt. Das e-Residency-Projektteam besitzt hier keinen Zugriff, sodass sämtliche Fragen, im Zusammenhang mit dem Bewerbungsverfahren, an das PBGB gerichtet werden sollten.
Hohe Erfolgsquote: Nach meinen Informationen soll die Ablehnungsquote bei den Anträgen nur bei ca. 1% liegen. Es handelt sich hierbei aber um keine offiziell kommunizierte Zahl.
Dauer: Die Bewerbung wird innerhalb von 30 Tagen geprüft. In meinem Fall hat es 26 Tage von der Bewerbung bis zur Annahme gedauert.
3. Die Abholung
Dauer: Sobald der Antrag bestätigt worden ist, dauert es ca. zwei bis fünf Wochen, bis das Starter-Kit bei der im Vorfeld ausgewählten Abhol-Station in Empfang genommen werden kann. Bei mir persönlich betrug die Zeitspanne 13 Tage.
Abholort: Aktuell gibt es weltweit 47 Orte, in denen man seine Karte abholen kann.
Frist von 6 Monaten: Sollte die Karte nicht innerhalb von 6 Monaten nach Ankunft am Abholort in Empfang genommen werden, wird die Karte zurück nach Estland gesendet und dort vernichtet.
Das e-Residency Starter-Kit
Bei der Abholung der e-Residency Karte erhält man ein Starter-Kit, was neben der Karte auch ein Kartenlesegerät und die PIN-Codes enthält.
Die e-Residency Karte: Die Karte beinhaltet den eigenen Namen, den persönlichen ID-Code (mit Informationen zum Geschlecht und dem Geburtsdatum), dem Ausstellungs- und dem Gültigkeitsdatum (5 Jahre Gültigkeit nach der Ausstellung).
Das Kartenlesegerät: Das Kartenlesegerät besitzt einen USB-Anschluss. Nachdem die Karte eingelegt worden ist, besitzt man online Zugang zu den unterschiedlichen Dienstleistungen.
Die PIN Codes: Der Briefumschlag enthält insgesamt drei PIN Codes.
- PIN 1: Ein vierstelliger Code, den man für den Zugriff auf die e-Dienstleistungen benötigt und um sich online zu identifizieren.
- PIN 2: Ein fünfstelliger Code, um Dokumente digital zu unterschreiben
- PUK: Ein Code, mit dem die PIN-Codes geändert werden können
Ein Gewerbe in Estland anmelden
Nachdem das e-Residency Starter-Kit inkl. Karte in Empfang genommen worden ist, kann theoretisch ein Unternehmen in Estland angemeldet werden. Es gibt dabei zwei Wege um diesen Prozess zu durchlaufen: Entweder man kümmert sich alleine darum und geht den Weg über das Registrierungs-Portal für Unternehmen oder aber man nimmt die Hilfe eines externen Dienstleisters in Anspruch.
Wer ohnehin die Absicht hat sich beim Accounting und der Verwaltung des Unternehmens unterstützen zu lassen, für den bietet sich der zweite Weg auf jeden Fall an. Zumal die Zusatzkosten sehr überschaubar sind. Mehr dazu im weiteren Verlauf.
Hier sind zunächst die wichtigsten Schritte bei der Gründung eines Unternehmens in Estland:
1. Auswahl Unternehmensname
Bei der Wahl des Namens für das Unternehmen kann man auf das Unternehmesregister zugreifen und die Verfügbarkeit prüfen.
Grundsätzlich dürfen beim Namen nur lateinische Buchstaben verwendet werden und keine Sonderzeichen. Dass der Name noch nicht vergeben sein darf und auch nicht einer bereits registrierten Marke in Estland und Europa entsprechen darf, sollte selbsterklärend sein.
2. Haupttätigkeitsfeld angeben
Die estnische Regierung möchte von Dir wissen in welchem Geschäftsfeld Du tätig sein wirst. Dabei können auch mehrere Bereiche angegeben werden. Ein separates Unternehmen für einen anderen Geschäftsbereich anzumelden ist nicht nötig. Mit der Abfrage soll unter anderem herausgefunden werden, ob für Deine Tätigkeit der Erhalt von erforderlichen Lizenzen nötig ist.
3. Geschäftsadresse und Kontaktperson in Estland
Für Unternehmen ist es eine gesetzliche Voraussetzung sowohl eine estnische Geschäftsadresse nachzuweisen als auch einen Ansprechpartner für Dein Unternehmen. Die Kontaktperson, die vor Ort in Estland ansprechbar sein muss, dient als eine Art Vermittler zwischen Dir und den estnischen Behörden. Keine Sorge: Die Kontaktperson kann keine Entscheidungen für Dein Unternehmen treffen. Es ist eher eine repräsentative Funktion.
Sowohl Geschäftsadresse als auch Kontaktperson lassen sich am besten über den Marktplatz für estnische e-Residency Dienstleister finden. Meine persönlichen Erfahrungen und Empfehlungen folgen gleich.
4. Eigenkapital einzahlen
Die Eigenkapitalanforderungen für Limited Liability Companies (OÜ) liegen aktuell bei 2.500 Euro. Diese müssen jedoch erst dann eingezahlt werden, bevor man sich das erste mal eine Dividende ausschütten lässt. Ab 2023 ist es geplant, dass die Eigenkapitalanforderungen auf 0 Euro gesenkt werden sollen.
5. Bankkonto eröffnen
Sobald die obigen Schritte erfolgreich durchlaufen worden sind, fehlt zu guter Letzt nur noch das Geschäftskonto. Hierbei haben Unternehmer drei Optionen:
- Geschäftskonto bei einer estnischen Bank
- Geschäftskonto bei einer Bank aus dem EEA-Raum
- Geschäftskonto bei einem EU-lizensierten Fintech Unternehmen
Bei den am häufigsten verwendeten Anbietern bei e-Residents, die meistens auch via API bei vielen Lösungsanbietern integriert sind, handelts es sich um die LHV Bank (größte Bank in Estland) und WISE (früher Transferwise).
Beide Optionen können Vor- als auch Nachteile haben. Letztlich kommt es hierbei auf den individuellen Fall an. Wichtig zu beachten: Sofern ein Konto bei der LHV Bank eröffnet werden soll, muss man dafür nach Estland reisen und vorstellig werden. Zudem muss erklärt werden, warum dort sein Konto eröffnen möchte und welche Beziehungen man nach Estland pflegt.
Persönlich habe ich mich bei der Kontoeröffnung für WISE entschieden. Mit dem Fintech, früher noch bekannt unter Transferwise, habe ich während meiner Zeit in Großbritannien sehr gute Erfahrungen beim Währungsumtausch in Euro gesammelt.
Die richtigen Partner finden: Erfahrungen aus Tallinn
Wer zuvor noch nie ein Gewerbe in Estland eröffnet hat, für den kann der Prozess vielleicht etwas undurchsichtig und kompliziert sein. Hilfe bieten in diesem Fall viele auf e-Residents spezialisierte Lösungsanbieter, die man gesammelt auf diesem Marktplaz finden kann.
Mein persönlicher Anspruch bestand darin einen Partner zu finden, der mich sowohl beim Gründungsprozess unterstützt, die gesetzlichen Anforderungen abdeckt (Geschäftsadresse und Kontaktperson) und der mir bei der Buchhaltung unter die Arme greift.
Viele Anbieter bieten das in einer Art All-in-One Lösung ab, andere bieten wiederum nur einzelne Prozesse davon an.
Meine empfohlene Vorgehensweise:
- Sich über den Markplatz alle Anbieter ansehen, die einem potenziell weiterhelfen können.
- Danach alle Webseiten ansehen und versuchen das Preis-Leistungsangebot zu identifizieren.
- Auswahl der kompetentesten Anbieter treffen.
- Persönliche Gespräche suchen.
Für meine persönlichen Anforderungen haben es fünf Anbieter in die nähere Auswahl geschafft. Mit Dalanta und Etny könnte ich nur online, beziehungsweise am Telefon sprechen. Beide haben einen guten Eindruck auf mich gemacht, jedoch gab es drei bessere Alternativen.
Tune Up
Tune Up wurde 2019 von Alo Bernstein gegründet. Sein Team umfasst sechs Mitarbeiter. Insgesamt hat er bereits 300 e-Residents betreut, bei 100 davon wird auch die Buchführung regelmäßig übernommen. Es ist ein vergleichsweise kleines Unternehmen, jedoch mit einem individuellen und persönlichen Touch.
Im persönlichen Gespräch konnte ich mit Alo ausführlich über meine Situation und meine Anforderungen sprechen. Eine spezielle Nachfrage hat er mir noch am gleichen Tag via Email beantwortet.
Die Preisstruktur ist bei Tune Up sehr transparent. Wenngleich die Vielzahl an Posten etwas unübersichtlich wirkt. Klassische und einfache All-in-One Pakete gibt es leider nicht.
Was am Ende gegen Tune Up gesprochen hat war die fehlende API Integration für das WISE Konto, dass es zusammengerechnet für meine Bedürfnisse die teuerste Lösung gewesen wäre (ca. 110 Euro pro Monat), das wenig persönliche Konsultierung enthalten war und dass ich eine externe Software hätte nutzen müssen (weiterer Kostenfaktor und kein direkter Support über die Firma).
1OFFICE
1OFFICE habe ich ebenfalls persönlich in Tallinn getroffen. Das Unternehmen operiert seit 2008 und ist in insgesamt 6 Ländern aktiv. Insgesamt arbeiten 60 Mitarbeiter für 1OFFICE und 350 e-Residents werden monatlich durch das Unternehmen betreut.
Am Ende waren es nur wenige Aspekte, die am Ende gegen 1OFFICE gesprochen haben. Zum einen die fehlende WISE-Integration, zum anderen, dass das für mich passende Paket etwas teurer (99 Euro pro Monat) gewesen ist als mein letztlich gewählte Lösung.
Das Team und die Gespräche vor Ort haben allerdings einen sehr guten Eindruck auf mich gemacht, sodass ich 1OFFICE bedenkenlos empfehlen kann.
XOLO
XOLO ist DER „Go-to-Anbieter“ für e-Residents schlechthin. Das Unternehmen ist ausschließlich auf e-Residents spezialisiert und verfügt mit Abstand über die größte Kundenbasis (3.500 e-Residents). Ein großer und ausreichender Erfahrungsschatz ist in jedem Fall vorhanden.
Zudem ist das Preis-Leistungsverhältnis, für meine Bedürfnisse, mit Abstand am attraktivsten im Vergleich zu anderen Alternativen. Mit XOLO Leap zahle ich 79 Euro pro Monat und bekomme neben der WISE API-Integration auch keine Einschränkungen bei den monatlichen Transaktionen (häufiger Kostentreiber bei anderen Anbietern) oder Konsultationen.
Neben dem sehr strukturiertem Set-Up beim Onboarding und der Hilfe bei der Unternehmensgründung, läuft auch der tagtägliche Support und die Kommunikation während meiner ersten Wochen relativ einfach, schnell und sauber. Zudem ist auch das Backend sehr sauber aufgebaut und einfach zu verstehen.
Meine XOLO Erfahrungen sind von daher extrem positiv und ich kann das Unternehmen bis jetzt problemlos weiterempfehlen.
E Residency Steuern
Das Steuersystem in Estland funktioniert sehr effizient, wenngleich es weit weg von einem klassischen Steuerparadies ist. Grundsätzlich müssen Unternehmer eine Einkommenssteuer von 20% auf alle ausgeschütteten Gewinne zahlen. Eine Progression ähnlich wie in Deutschland gibt es nicht.
Solange die Gewinne innerhalb des Unternehmens verbleiben und dort beispielsweise reinvestiert werden, müssen darauf keine Steuern bezahlt werden. Das gilt auch für Investments am Kapitalmarkt oder in P2P Kredite Plattformen.
Wer diesen Weg wählt, der kann langfristig deutlich besser vom Zinseszinseffekt profitieren.
Ausschüttungen können aber nicht nur über Dividenden abgewickelt werden, auch die Auszahlung für Manager-Tätigkeiten wäre möglich. Hier müssen allerdings 33% Steuern an Sozialabgaben abgedrückt werden.
Wer seinen Wohnsitz in Deutschland besitzt, der muss seine Einnahmen auch beim Finanzamt im Heimatland angeben. Aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens muss man die ausgeschütteten Gewinne jedoch nicht erneut versteuern. Gegebenenfalls muss man noch die Differenz bezahlen.
Kosten e-Residency
Wie viel kostet eine Gewerbeanmeldung in Estland? Hier ein Überblick zu den einmaligen, den monatlichen und den jährlichen Kosten.
Einmalig
- Anmeldegebühr für die e-Residency: 120 Euro
- Registrierung einer Limited Liability Company: 265 Euro
Monatlich
- Geschäftsadresse und Kontaktperson: 8 – 12 Euro (auch Jahresmodell möglich; ggf. auch in monatlicher Buchhaltung enthalten)
- Buchhaltung und Accounting: Ab 70 Euro (abhängig vom Paket, Service, Anzahl Transaktionen, etc.)
Jährlich
- Geschäftsbericht Jahresabschluss: Ab 70 Euro (ggf. in Buchhaltungspaketen enthalten)
Sonstiges
- Bankgebühren, (Lizenzen), etc.
Wer alles komplett selbstständig erledigt, der zahlt im ersten Jahr ungefähr 500 bis 600 Euro für ein Gewerbe in Estland. Wer zusätzlich noch Hilfe für die Buchhaltung in Anspruch nimmt, der zahlt im ersten Jahr ab 1.200 Euro aufwärts – abhängig vom Anbieter und dessen Preis- Leistungsangebot.
Mit durchschnittlich 100 Euro pro Monat sind die Verwaltungskosten für ein estnisches Unternehmen durchaus noch im Rahmen. Wichtig: Der Kostenrahmen gilt für mich als Solo-Selbstständigen ohne Angestellte. Bei größeren Teams kann der Kostenrahmen deutlich größer ausfallen.
Mein Fazit zur estnischen e-Residency
Wenn ich mir überlege, wie lange ich aus Angst vor dem bürokratischen Aufwand eines Unternehmens im Ausland zurückgeschreckt habe, dann kann ich heute nur müde darüber lächeln.
Die Bewerbung zur e-Residency, der Umgang mit der Karte, die Anmeldung eines Unternehmens in Estland und deren Verwaltung laufen so einfach und reibungslos, wie man es sich nur vorstellen kann. Die Prozesse sind extrem einfach, verständlich, effizient und 100% digital. Zudem ist der Support und die Hilfsbereitschaft zahlreicher Anbieter ein wahres Geschenk, wenn man das mit dem Zustand deutscher Behörden vergleicht. An dieser Stelle ein großes Dankeschön an das e-Residency Team in Tallinn, welches ich während meiner Reise ebenfalls kennenlernen durfte.
Ich bin sehr gespannt welche Erfahrungen ich mit der e-Residency und meinem neuen Unternehmen in den nächsten Jahren sammeln werde. Die ersten Monate sind bereits sehr vielversprechend und ich freue mich, dass ich diesen Schritt gegangen bin.
Video: Mein e-Residency Gewerbe in Estland
Mit zunehmenden Erfahrungen werde ich diesen Artikel aktualisieren. Falls Du Fragen zur e-Residency hast, eigenen Erfahrungen beisteuern möchtest oder Dir vielleicht Fehler aufgefallen sind, freue ich mich über Deinen Kommentar!
Hi, ich bin Denny! Seit Januar 2019 schreibe ich auf diesem Blog über meine Erfahrungen beim Investieren in P2P Kredite. Meine Analysen sollen Investoren dabei helfen reflektierte und gut informierte Anlageentscheidungen treffen zu können. Dafür schaue ich mir die Risikoprofile der einzelnen P2P Plattformen an, hinterfrage deren Entwicklungen und teile meine persönlichen Einschätzungen mit meiner Community. Mein Bestseller "Geldanlage P2P Kredite" gilt in Fachkreisen als das beste deutschsprachige Finanzbuch zum gleichnamigen Thema.
Hallo Denny,
wie ist das denn dann mit Onlinedepot? Sowas wie Scalable funktioniert ja dann nicht. Wo kann man dann sein Onlinedepot machen?
Und wie ist das mit den P2P-Plattformen. Viele erlauben ja nur das Investieren als Privatperson? Wie löst Du das?
Liebe Grüße
Thorsten
Hi Thorsten,
du hast recht, leider ist das nicht überall möglich. Bei den P2P Plattformen betrifft das zum Beispiel TWINO und VIAINVEST. Ich werde die nächsten Wochen entscheiden, wie ich hier weiter vorgehen werde.
Viele Grüße,
Denny
Ich hatte die gleiche Frage wie Thorsten, und freue mich auf ein Update zu diesem Thema!
Hallo Denny,
kann man auch seine Anlagen (Aktien, P2P,..) in ein estnisches Unternehmen einbringen? Wenn ich keine Entnahmen habe zahle ich dann weder in Estland noch in Deutschland steuern? Das würde ja ein ordentlichen Steuerstundungseffekt bedeuten.
Hi Matthias,
ja, das kann man machen. Allerdings sollte ein gewisses Verhältnis zu den Umsätzen des Gewerbes gewahrt werden. Es gibt da wohl keine festgelegte Regelung, aber mir wurde empfohlen das Gewerbe nicht ausschließlich zur Übertragung seiner Investments zu nutzen. Das würde früher oder später sonst nicht mehr funktionieren. Ich habe allerdings schon einen größeren Betrag auf mein Gewerbe überwiesen und dann entsprechend angelegt. Hat alles funktioniert und wie schon richtig erkannt, ein schöner Steuerstundungseffekt.
Viele Grüße,
Denny
Muss man für die OÜ in Deutschland trotzdem die Körperschafts und Gewerbesteuer zahlen ?
Wenn Du Deinen Wohnsitz nicht in Deutschland hast, dann definitiv nicht.
Sehr interessanter Beitrag, vielen Dank dafür! Was ich mich frage ist, kann man sich mit einer estnischen OÜ dann eigentlich in jedem EU Land als Firma bei den P2P Platformen anmelden, oder geht das dann nur bei estnischen P2P Platformen?
lg
Hi Claus! Das funktioniert europaweit bei allen Plattformen, sofern diese auch juristische Personen akzeptieren. Ich bin zum Beispiel bei PeerBerry (Kroatien), LANDE (Lettland) und Income (Estland) mit meinem Gewerbe angemeldet. Bei Robocash (Kroatien) oder Viainvest (Lettland) kann man sich hingegen aktuell nur als natürliche Person anmelden.
Viele Grüße,
Denny